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„Dank der Literatur lernen wir uns immer neu kennen“

Frankfurt am Main / Warschau, 22.05.2017 - Unter dem Motto „Worte bewegen. Siła słów“ präsentierte sich die Bundesrepublik Deutschland vom 18.-21. Mai 2017 als Gastland der 8. Warschauer Buchmesse. 25 Veranstaltungen fanden an fünf Tagen statt, rund 2000 Besucherinnen und Besucher folgten den Gesprächen zwischen deutschen und polnischen Literaten, Journalisten, Wissenschaftlern, Fachreferenten und Publizisten. Die Frage nach dem Zusammenwachsen Europas und gemeinsamen europäischen Werten stand im Mittelpunkt zahlreicher Diskussionen.

Eröffnet wurde der deutsche Stand durch den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, der in seiner Rede sagte: „In all den Jahren des Ringens um eine europäische Einigung haben wir uns bemüht, eine gemeinsame Sprache zu finden. Das heißt nicht, dem anderen das Wort zu reden und die eigene Identität aufzugeben, sondern im Bewusstsein der Gleichzeitigkeit von gemeinsamen und unterschiedlichen Interessen nach Formen der Verständigung zu suchen.“ Dank der Literatur lerne man sich kennen – und immer wieder neu kennen, betonte der Bundespräsident.

Zwölf Autorinnen und Autoren aus Deutschland waren der Einladung der Frankfurter Buchmesse und des Goethe-Instituts Warschau gefolgt und präsentierten ihre Bücher in Warschau, darunter Nobelpreisträgerin Herta Müller, Jakob Hein, Charlotte Link, Ulrike Draesner, Wolfgang Bauer und Yuri Andruchowytsch. Bei zahlreichen Veranstaltungen entwickelten sich zwischen den Podiumsteilnehmern und dem Publikum emotionale und kontroverse Diskussionen. „Es wurde deutlich, dass gegenwärtige Themen wie der Umgang mit der Flüchtlingsfrage in Europa oder die Einschränkung der Meinungsfreiheit Deutsche und Polen gleichermaßen beschäftigen“, sagt Bärbel Becker, Leiterin Internationale Programme bei der Frankfurter Buchmesse.

Mit Blick auf die gegenwärtige Situation in Polen formulierte Nobelpreisträgerin Herta Müller: „Überfütterung mit nationalem Denken und Begriffen wie der sogenannte Patriotismus oder Heldentum sind für mich sehr fragwürdig. Wenn ich lese, wie viele Institutionen von diesen Dingen betroffen sind und dass man immer wieder Leute auswechselt, dann erinnert mich das sehr an eine Ideologie, mit der man durchmarschiert.“

66 deutsche Institutionen und Verlage nutzten die Gelegenheit, den Kontakt zu polnischen Verlagen auszubauen. „Die Warschauer Buchmesse ist, was das Publikum angeht, eine sehr junge Messe und die polnische Verlagslandschaft sehr dynamisch. In den fünf Jahren, die wir an dieser Buchmesse teilnehmen, haben wir als Verlag für Special-Interest-Themen immer neue Verlage entdeckt“, sagt Anita Keane, die beim Delius Klasing Verlag für Rechte und Lizenzen verantwortlich ist.

Britta Jürgs, Verlegerin und Vorsitzende der Kurt Wolff Stiftung: „Es war eine spannende Messe und eine sehr gute Möglichkeit, sich über Unterschiede und Gemeinsamkeiten für unabhängige Buchhandlungen und Verlage auszutauschen.“

Im Fachprogramm wurden die Buchmärkte beider Länder untersucht. Auf einem CEO-Panel erläuterte Bernhard Fetsch, Geschäftsführer der Verlagsgruppe Droemer Knaur, die Grundzüge des deutschen Buchmarktes: „Ein großes Interesse galt dem Thema Buchpreisbindung – diese ist in Polen nicht eingeführt. Das Thema oszilliert zwischen wirtschaftlichem Interesse und kulturpolitischer Argumentation. Die Kollegen interessierten sich sehr dafür, wie wir einen Markt bearbeiten, der nicht aus Buchhandlungen besteht, die mit den Verlagen als Unternehmung verbunden sind.“

Dr. Andrzej Kaluza, Deutsches Polen-Institut: „Den Gastlandauftritt in diesem Jahr haben wir zum Anlass genommen, um das Engagement des Deutschen Polen-Instituts (DPI) für die Literatur und Kultur Polens sichtbar zu machen. Darüber hinaus wollten wir unser Projekt „Polen Mobil“ bekanntmachen, das seit 2015 in deutschen Schulen läuft und Schülern jeden Alters und jeder Schulform an einem Tag Grundwissen über die polnische Sprache, Literatur und Geschichte vermittelt.“ Auf der Warschauer Buchmesse wurde das DPI von der Fundacja Kultury Polskiej, der Stiftung der Polnischen Kultur, mit dem Ehrenpreis für die Vermittlung und Bewerbung der polnischen Literatur ausgezeichnet.

„Zu Gast in Warschau sein zu dürfen, war wie ein 360-Grad-Geschenk: Mit europäischen Freunden über Literatur zu diskutieren und zu erleben, dass die Freundschaft zwischen Deutschland und Polen inzwischen längst stark genug ist, um kleinere Unebenheiten auf dem Weg problemlos zu überstehen - das ist weit mehr, als man sich wünschen könnte“, sagte der Berliner Schriftsteller Jakob Hein.

Der deutsche Gastlandauftritt wurde von der Frankfurter Buchmesse und dem Goethe-Institut Warschau gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland vorbereitet.

Die Warschauer Buchmesse ist mit 800 Ausstellern aus 32 Ländern, 1500 Veranstaltungen, rund 1000 anwesenden Autoren und 75000 Besuchern die größte polnische Buchmesse.

Offizielle Website der Warschauer Buchmesse